Ich sitze am Arbeitsplatz im Wohnzimmer und bastele an irgendwelchen PHP-Scripten rum, während die Liebste auf dem Sofa vor dem Riesenfernseher lümmelt und sich durchs Programm zappt.
Normalerweise dringen in solchen Situationen die erträglichen (weil leicht zu verdrängenden) Klänge von Reisereportagen, Kochsendungen oder Tier-Dokus an mein Ohr. Heute jedoch nicht.
Dummerweise hat meine fernseherfahrene Liebste entschieden, sich diesmal von der dahinplätschernden Klangkulisse einer gesellschaftsphilosophischen (sprich: hochgradig ideologischen und imperialismusaffirmativen) Sendung in den Mittagsschlaf wiegen zu lassen. Sie schätzt den monotonen Singsang solcher Programme, weil sie dabei am besten chillen und dösen kann.
Ich dagegen werde nun gezwungen – solange ich nicht unter die Kopfhörer fliehe – mir Sätze wie diesen anzuhören:
„Neid, Mißgunst, Kritik – Wie gehen wir als Gesellschaft mit dem ERFOLG anderer um?“
Vorausgegangen ist ein bewundernder Bericht über eines der gängigen kapitalistischen role models, einen Selfmade-Millionär, der „zwei Millionen Follower auf Instagram hat“ und der der unterwürfig lobhudelnden „Reporterin“ in Form einiger Poesiealbumssprüche aus der Erfolgsmenschenfibel großzügig das Schatzkästchen seiner marktwirtschaftlichen Selbstwichtigkeit öffnet.
Nun wird ein leibhaftiger Philosoph befragt, warum die lieben Mitmenschen den Erfolgreichen bloß immer den Erfolg neiden – vor allem aber den Stoff, aus dem dieser besteht: dem Geld, welches sich in Form von Vermögen auf den Konten und in den Investmentportfolios der (Erfolg-)Reichen ansammelt.
Dieses ungelöste Rätsel der Menschheit weiß der Premiumdenker staats- und ökonomiekompatibel zu beantworten: es ist der psychologische Defekt des Neides! Wenn Karl Lohnarbeiterarsch sich nämlich mit den ECHTEN Erfolgsmenschen vergleicht, wird sein eigenes eher bescheidenes Durchwursteln zum vergleichsweisen Scheitern!
Eine Lösung hält der Philosoph nicht parat, weil es gar keine gibt: die Welt ist nun mal so!
Inzwischen bin ich in den Zustand geraten, in dem die aufsteigende Übelkeit und Wut auf die unverfrorene, widerliche und perfide Abrichtung der Leute auf die Bereicherungsideologie der Konkurrenzgesellschaft sich untrennbar vermischt mit einer apokalyptischen Traurigkeit, in solch einer Welt leben zu müssen.
Die Liebste hingegen hört sowieso nicht hin, ist nahezu in den Schlaf gewiegt und wundert sich noch nicht mal (sie kennt mich ja), warum ich fluchend das Zimmer verlasse und mich mitsamt Hund in mein Schlafzimmerrefugium verflüchtige.