Geschichten die das Leben schrieb: Vollschock zum Urlaubsende
Nach einer gut sechsstündigen Fahrt über relativ volle Autobahnen – ich, als Profi-Kraftfahrer, bin wie immer der Fahrer vom Dienst – kommen wir am frühen Abend im heimischen (jedenfalls für meine Liebste, ein Düsseldorfer Blondchen par excellence) Oberkassel an.
Tatsächlich finde ich einen Parkplatz nur 20m von unserer Wohnung entfernt, wochenends eine Seltenheit in unserem dekadenten Trendviertel, in dem sich Sonntags abends um diese Zeit die örtliche, ergänzt um die rechtsrheinische, Wannabe-Szene trifft und ihr Besserverdieneneinkommen verprasst als gäb’s kein Morgen.
Ich mache mich ans Leeren des Autos vom Gepäck und schleppe nach und nach zwei schwere Koffer sowie diverse Beutel, Taschen und Einzelteile die drei Stockwerke zu unserer Dachwohnung hoch, während die Frau mit zwei Hundedecken und zwei Kissen die Treppe hochtänzelt. In der Wohnung beginnt sie mit Auspacken, Sachen verstauen, Vorräte sichten und allerlei häuslichen Tätigkeiten.
Während ich schweißgebadet die Treppen hoch und runter ächze, stelle ich mit jedem Gang, nach dem ich oben wieder ankomme, fest, dass die Gattin eine immer finsterere Miene zur Schau trägt. Über ihrem Kopf hängt eine unsichtbare Gewitterwolke von schwärzester Färbung.
Schließlich ist alles hochgeschafft und ich mache mich ebenfalls ans Auspacken und Wegräumen. Dabei kann man allerdings allerlei falsch machen, wie ich sofort erfahren muss, als ich ein Bekleidungsstück aus dem Koffer nehme und dabei die vorschriftsmäßige Faltung einer Unterhose oder Bluse durcheinander bringe. Von seitwärts zischt mich die Liebste an, ob ich nicht aufpassen könne und wieso ich ihr „alles durcheinander bringen“ würde. Scheinbar ist ihr eine Laus von der Größe einer jungen Katze über die Leber gelaufen.
Als nächstes vernehme ich aus Richtung Wäschekorb empörte Beschwerden über meine verantwortungslosen Haltung, zu oft zu wenig getragene Klamotten in den Waschzyklus zu geben: „Das hab ich doch vor zwei Tagen erst frisch aus der Wäsche geholt! Wieso musst du das schon wieder waschen? Du hast doch echt einen Knall mit deiner Wascherei..!“
Erstaunt bringe ich mich aus der Schusslinie, schon ahnend, dass ich für ihren Ärger nur der Blitzableiter, nicht aber die Ursache bin. Als weiser Mann, gestählt im Tosen der Partnerschaftsstürme und erfüllt von Mitgefühl für alle lebenden Wesen, weiß ich, dass sie früher oder später mit der Sprache rausrückt und mich über den Grund ihrer üblen Laune in Kenntnis setzt.
Ich setze mich in eine Ecke und schaue ihr beim Koffer auspacken zu. Nach einer Weile presst sie zwischen den Zähnen hervor: „Ich hätte mich nicht nicht wiegen dürfen!!“. Meine im Gegensatz zur krass übergewichtigen Mehrheit der Bevölkerung normalgewichtige bis schlanke Liebste nämlich hat sich im Urlaub, wo wir zum Entsetzen meiner körperfettbewußten Gattin auffällig viele krankhaft verfettete Mitmenschen beobachten konnten, vier Wochen lang der wahnhaften Obsession enthalten, ein paar mal am Tag auf die Waage zu steigen um etwaige zusätzliche oder fehlende Gramm Körpermasse zu kontrollieren (was jedoch einfach daran lag; dass es in der Ferienwohnung keine Waage gab). Zusätzlich aß sie einfach, worauf sie Hunger hatte und in den Mengen, die sie wollte – eine lasterhafte Freiheit, die sie sich sonst so gut wie nie erlaubt.
Jetzt gilt es, Contenance zu bewahren, das Lachen zu unterdrücken und am besten gar nichts zu sagen. Oder jedenfalls nur das Richtige, wozu ich sogleich die Gelegenheit erhalte: „Ich hab fast zwei Kilo zugenommen!! Seh ich dick aus?! Sei ehrlich!“. Ich weiß natürlich, was die – in diesem Fall wahrheitsgemäße – Antwort zu sein hat: „Auf keinen Fall, mein Schatz! Du siehst klasse aus, du hast gesunde Farbe und bist keinesfalls dick!“
Die Frau ist noch nicht überzeugt. „Ab morgen“, verkündet sie jetzt entschlossen, „ab morgen ist hier Schmalhans Küchenmeister! Jetzt wird abgenommen bis der Arzt kommt!!“. Ich schweige vorsichtshalber zu dieser Ankündigung. Ich ahne nämlich, was jetzt kommt. Und richtig, unmittelbar anschließend und quasi als Fazit der entschlossenen Maßnahmen, die ab morgen greifen werden, zeigt meine keinem guten Essen und keinem guten Tropfen abgeneigte Liebste, dass sie Dogmatismus und freudloser Selbstkasteiung abhold ist.
„Aber heute gönnen wir uns noch mal einen Manz, oder? Schließlich müssen wir ja die Rückkehr nach Hause feiern! Ich geh mal zur Bank und hol Geld, und besorg uns am Kiosk zwei Flaschen Grauburgunder!“
„That’s my girl!“, denke ich und freue mich schon auf das genauso konsequente Schmalhans-Regime, das „ab morgen“ in der Küche regiert.