Geschichten die die Sowjetunion schrieb: die Arbeiterklasse an der Macht

Zitat aus einem Buch, das 1953 geschrieben wurde. Die Zeilen atmen den Geist einer Zeit, in dem das Sowjetvolk voller Optimismus in die Zukunft blickte. Der Krieg war überstanden, der deutsche Faschismus unter unmenschlichen Opfern besiegt, und obwohl der kapitalistische Westen mit seinem Kalten Krieg den heißen Krieg der Nazis gegen die Sowjetunion fortsetzte, war man sich der eigenen Stärke bewusst, hatte sogar noch weitere Freunde und Verbündete gewonnen durch den neu entstandenen sozialistischen Block.

Noch interessanter als die historische Einordnung ist jedoch die Atmosphäre eines grundsätzlich anderen Lebens- und Arbeitsgefühls, die jedes Kapital des Buches ausstrahlt. Eine Atmosphäre, in der die Arbeitermacht im Staat so selbstverständlich verankert ist wie das Selbstbewusstsein der Arbeiter als Herren der Produktion. Ein Staat, in dem diejenigen, die den Reichtum der Gesellschaft produzieren, gleichzeitig diejenigen sind, denen der ganze Laden gehört und für die die kapitalistenfreie Ordnung eingerichtet ist.

Und das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht im Vergleich zum Leben im Kapitalismus:

Wer im Kapitalismus aufwächst, für den ist das, was ihm in der Form von „der Wirtschaft“, als gesellschaftlicher Reproduktionsprozess gegenübertritt, zwangsläufig etwas Fremdes, nicht ihm Gehörendes, etwas, in dem er sich gegen andere durchsetzen muss – nicht um einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen zu stiften oder zu fördern, sondern um sich selber einen Lebensunterhalt zu sichern, indem er diejenigen, denen „die Wirtschaft“ gehört, reicher macht.

Die grundlegende Eigenschaft, das grundsätzliche Verhältnis des einzelnen Menschen zur Produktion im Kapitalismus ist das der Getrenntheit, der Entfremdung, der Scheidung in Besitzende und Besitzlose. Es liest sich aus heutiger Sicht fast utopisch, was in den frühen 1950er Jahren in der Sowjetunion bereits seit Jahrzehnten verwirklicht war: eine Staatsmacht in den Händen und im Interesse der Arbeiterklasse, ein Arbeiten für den Erfolg dieses einmaligen – und ERSTMALIGEN – Schrittes in der Menschheitsgeschichte, die Organisation der materiellen Produktion als geplante Anstrengung durch und für diejenigen, die die Arbeit machen.

Dass seit der Chruschtschow-Ära diese Vision eines sozialistischen Staates nach und nach zu Lippenbekenntnissen verkam, dass Bürokratismus, Karrierismus, Schlendrian, Korruption und Anbiederung an den Kapitalismus (Anbiederung, wohlgemerkt, im Gegensatz zur Nutzbarmachung kapitalistischer Elemente z.B. durch die Kommunistische Partei Chinas) Einzug hielt und letztlich dazu beitrug, dass der Sozialismus in Europa vorläufig scheiterte – das ist mir bekannt.

Gerade deshalb aber ist das Buch auch heute noch eine Quelle für Inspiration und Hoffnung. Was schon einmal realisiert war, kann wieder entstehen, kann neu erstehen, angepaßt an die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts.