Geschichten aus dem Pflegeheim: Die abwesende Anwesende

„Tagesgruppe Demenz“: morgens zwischen 7:30 und 8:00 treffen nach und nach die Teilnehmer ein, manche alleine, manche begleitet vom Pflegepersonal.

Um 8:15 sind fast alle anwesend; ich habe inzwischen den Tisch eingedeckt, den Frühstückswagen aus der Kantine geholt, den Leuten die Kleiderschutze umgebunden, alle einzeln begrüßt, schon mal Kaffee ausgeschenkt und begonnen, die Brote und Brötchen für diejenigen zu schmieren, die‘s nicht mehr selber können.

So, jetzt kann’s losgehen!“, verkünde ich der Runde, „nur Frau M. fehlt noch.“

Ich auch!“ lässt sich Frau H. vernehmen.

Frau H. ist in letzter Zeit morgens oft extrem durcheinander, weil sie zunehmend Schwierigkeiten hat, Traum- und Wachzustand auseinander zu halten.

Wieso, Sie sind doch da..“ sage ich.

Wo denn?“ fragt Frau H. zurück.

Na hier, direkt vor mir!“, entgegne ich und fasse sie an der Schulter, um sie durch den körperlichen Kontakt vielleicht in die Realität des normalen Wachzustandes zu holen.

Sie stutzt. „Das hat mir ja wieder keiner gesagt!“ ist ihre Antwort.

Wir beschließen gemeinsam, dass erstmal eine Tasse Kaffee getrunken werden muss, bevor die Frage ihrer An- oder Abwesenheit endgültig geklärt werden kann.