Christliches Jahresendfest

Es menschelt allenthalben.

Im oberschichtsverseuchten Gentrifizierungscluster Düsseldorf-Oberkassel laufen mit Nobelladentüten beladene Besserverdiener nach Hause und freuen sich auf fünf freie Tage am Stück.

Mehr Leute als gewöhnlich bleiben bei den selbst hier vereinzelt zu besichtigenden menschlichen Abfallprodukten der Konkurrenzgesellschaft stehen, kramen in ihren Geldbörsen und zeigen sich ungewohnt spendabel.

So wie die Fastnacht im ursprünglichen Sinne ein Ventil für die im Jahresverlauf aufgestaute und unterdrückte Kritik an Macht und Moral war, das Dampf abließ und damit für das seelische Gleichgewicht der Subjekte feudaler Herrschaft wichtig war, ist wohl die Weihnachtszeit ein benötigtes Korrektiv für den modernen demokratischen Untertanen.

Wer sich das ganze Jahr lang im freiheitlichen Rattenrennen ums Bestehen und Überleben im marktwirtschaftlichen Haifischbecken abmüht, der braucht scheinbar als Ausgleich das gute Gefühl, mal nicht aus berechnender Anpassung, ellenbogenmäßigem Durchsetzungsgekraftmeiere und karriereförderlichen Wegbeißinstinkten, also der erforderlichen Grundausstattung des freien Marktteilnehmers, zu handeln, sondern will wenigstens einmal so tun, als gäbe es den ganzen modernen Kapitalismus gar nicht und als zählten ganz andere Werte in dieser Welt.

Wenn sich das dann auch noch, vermittels des Haupt-Festes des hiesigen organisierten Aberglaubens, deckt mit einer gleichermaßen familiären wie konsumberauschten Auszeit vom Alltag, steht dem so verzweifelt wie erfolglos herbeigesehnten „richtigen Leben im falschen“ nichts mehr im Wege.