Ideologien über Konsum und Konsument in der Marktwirtschaft | GegenStandpunkt
Die Mär von der „Wohlstandsgesellschaft“ und andere falsche Vorstellungen über privaten Konsum und seine angeblich entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Welt nimmt dieser hervorragende Artikel aufs Korn.
„Unbestreitbar, dem modernen Arbeitnehmer steht heute eine Palette von Gütern zu Gebote, die es in den Anfängen der „Industriegesellschaft“ noch gar nicht gab, schon gar nicht für Arbeiter. Zu bestreiten ist allerdings, dass dieser Umstand den Ehrentitel „Wohlstandsgesellschaft“ rechtfertigt, mit dem sich der Kapitalismus seit mehr als einem halben Jahrhundert schmückt. Automobil, Gefrierschrank oder Plasmafernseher, die in Arbeiterhaushalten gesichtet werden, müssen als Beweisstücke herhalten. Als wäre eine mobile Arbeiterbevölkerung, die den räumlich wie zeitlich flexiblen Einsatz in „atmenden Unternehmen“ abzuleisten hat, ohne fahrbaren Untersatz zu haben. Das schmale Zeitfenster, das nach einem aufreibenden Arbeitstag für die Erledigung der Ernährungsfrage noch bleibt, verlangt zwecks Zeitersparnis nach Vorratshaltung, die ohne Kühl- und andere technische Geräte nicht auskommt. Dass die zu erbringende Leistung an einem modernen Arbeitsplatz seinen Inhaber schafft, ohne dass deswegen ein fürstliches Entgelt winkt, trifft sich hervorragend mit den Angeboten der Industrie für Unterhaltungselektronik. Der Fernseher füllt nämlich den marginalen Rest an Erholungszeit optimal, der nach Erledigung der Notwendigkeiten der Reproduktion für den nächsten Arbeitstag noch verbleibt. Erstens ist das Heimkino im Vergleich zu außerhäusigen kulturellen Großtaten zeitsparend. Zweitens überfordert der passive Konsum bewegter Bilder nicht den Restposten an Kondition und Aufmerksamkeit, den die Leistungsbeanspruchung am Arbeitsplatz allenfalls übrig lässt. Und drittens ist die Sache auch noch erheblich billiger als Bayreuth oder Berlinale und damit dem bescheidenen Salär eines Lohnempfängers angemessen. Die Größen Zeit, Leistung und Geld, aus denen die Zwänge des Lohnarbeiterdaseins komponiert sind, werden hier also von einer Branche geschäftstüchtig ins Visier genommen.“