Die möglicherweise nicht demente, aber sehr kommunikative und häufig von Halluzinationen heimgesuchte 90-jährige Frau B. schreckt in einem Gruppenangebot heute plötzlich hoch (und verursacht ziemliche Aufregung bei den anderen Anwesenden – allesamt dementiell veränderte Menschen um die 90 Jahre) mit dem Ausruf „Da ist ja ein Hund!!“.
Sie beugt sich vor, um besser zu sehen; die anderen, angesteckt durch die überraschende und aufregende Neuigkeit, beginnen ebenfalls nach dem „Hund“ zu suchen, schauen unter den Tisch und um sich herum, während Frau B. weiter vor sich hin murmelt „Also das gibt’s doch gar nicht, wie kommt denn hier ein Hund rein…“
Keiner begreift so recht, wie, warum und woher jetzt ein Hund kommen soll, aber alle sind sofort bereit, sich auf dieses Abwechslung versprechende Ereignis einzulassen. Frau B. rollt mittlerweile mit ihrem Rollstuhl einen oder zwei Meter nach vorne, wohl in Richtung des nur von ihr bemerkten Hundes, und packt einen schwarzen Bürostuhl an Lehne, Sitz, usw. an. „Ach nee, das ist ein Stuhl!“, läßt sie sich leicht enttäuscht vernehmen, und die andern lachen und seufzen – halb erleichtert, dass nicht wirklich ein Hund anwesend ist, halb belustigt über Frau B.s Irrtum.
Ich ergreife die Gelegenheit um ein paar Sätze über die täuschende Erscheinung von Formen und Phänomenen zu sagen und die Leute eigene Erlebnisse damit erzählen zu lassen. Jeder kennt das natürlich; wer hat nicht schon mal in den nachts über einen Stuhl geworfenen Kleidungsstücken einen unheimlichen Gesellen oder Geist gesehen?
Auch die Verwandlung eines Stuhls in einen Hund ist schnell und anschaulich illustriert, und niemand trägt es Frau B. nach, dass sie die Runde mit ihrem Fehlalarm in Aufregung versetzt hat.
